Meine drei Schwangerschaften, von denen zwei frühzeitig endeten – und den Wandel meiner Gefühle

Von Elo

Erste Fehlgeburt 2016

Als ich im August 2016 meinen ersten positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt, war ich erfreut und geschockt zugleich. Ich denke, dass ich nicht damit gerechnet hatte, direkt schwanger zu werden. Ich wusste schon immer, dass ich Kinder bekommen wollte, aber auch dass ich eine Mutter mit Lebenserfahrung sein würde. Mit 36 Jahren fühlte ich mich nun also bereit mit meinem Partner Eltern zu werden und unser Kind ins Leben zu begleiten.
Ich wusste natürlich, um das Risiko der ersten Wochen, war aber sehr unbekümmert, was das anging. Zunächst verlief alles gut, ich litt unter Schwangerschaftssymptomen wie Übelkeit und bleierner Müdigkeit, aber die nahm ich gerne in Kauf, denn es vermittelte mir den Eindruck von einer intakten Schwangerschaft. Um die 11.Woche spürte ich, dass meine Symptome zurück gingen und ich fing an mir Sorgen zu machen. Ich weiß noch, wie mich an einem dieser Tage plötzlich eine tiefe Trauer überkam. Es fühlte sich nach Abschied und Verlust an. Dass ich mit diesen Gefühlen richtig liegen sollte, wurde mir tatsächlich zwei Tage später von der Frauenärztin bestätigt – das Herzchen meines Kindes hatte aufgehört zu schlagen. Ich erhielt die Diagnose „Missed Abortion.“ Meine Ärztin erklärte mir in Ruhe, dass es zwei Optionen gäbe mein Kind gehen zu lassen: Entweder eine Ausschabung in der Klinik oder einen natürlichen Abgang. Ich wusste sofort, dass ich eine kleine Geburt bevorzugen würde und war sehr dankbar und erleichtert von dieser Möglichkeit zu erfahren.
Als ich das Sprechzimmer meiner Ärztin verlassen hatte, brachen erstmal alle Dämme – ich wusste gar nicht wohin mit so viel Schmerz, Trauer und Verzweiflung.

Gemeinsam mit meinem Mann, der bei dem Termin dabei gewesen war, ging ich nach Hause. Jeder von uns beiden trauerte auf seine Weise. Mich quälten viele Fragen, ich wollte wissen warum und ich hatte große Angst für den Tod meines ungeborenen Kindes verantwortlich zu sein.
Aus heutiger Sicht weiß ich natürlich, dass ich bei keiner der beiden Fehlgeburten etwas dafürkonnte und auch nichts falsch gemacht hatte, aber in der Situation damals waren das eben meine Themen, die bearbeitet werden wollten. Ebenso meine große Trauer um mein erstes Kind – es hatte schon so viele Sehnsüchte und Träume von einer gemeinsamen Zukunft in mir entfacht und das wieder loszulassen, tat einfach schrecklich weh.

Ja, loslassen und sich verabschieden, darum ging es in den nächsten Tagen. Ich war krankgeschrieben und auch mein Mann konnte für eine Woche zu Hause bleiben. Wir hatten nun viel Zeit das Geschehene sacken zu lassen und darüber zu sprechen. Wenn wir davon müde waren, haben wir uns ausgeruht,

geschlafen oder lagen einfach nur da. Das Aufwachen an manchen Morgen war sehr schwer. Immer wieder zu realisieren, was passiert war und auch das Warten auf die kleine Geburt, war in manchen Stunden unerträglich. Ich habe viel Zeit damit verbracht im Internet dazu zu recherchieren, in der Hoffnung Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Ich weiß noch, wie ich es an einem Tag auf einmal einfach nur schrecklich fand, mein totes Kind in mir zu tragen. Ich bin dann zu meiner Frauenärztin, weil ich es unbedingt noch mal sehen wollte. Rückblickend ging es mir dabei glaube ich auch darum zu begreifen, dass mein Kind wirklich verstorben war. Als ich es dann im Ultraschall sah, habe ich mich wieder so verbunden mit meinem Baby gefühlt, dass ich auch die restliche Zeit bis zu meiner kleinen Geburt in Liebe zu meinem Kind verbringen konnte.

Heute weiß ich, dass diese 10 Tage bis es mit meiner kleinen Geburt losging, ein großes Geschenk für mich waren, denn ich hatte Zeit meinen Schmerz zu verarbeiten und das Geschehene anzunehmen. Und als ich so weit war und mein Kind innerlich verabschiedet hatte, lies es auch mein Körper los.

Kleine Geburt

Wie bereits beschrieben, haben mein Mann und ich in den Tagen vor meiner kleinen Geburt viel Zeit miteinander verbracht und gemeinsam entschieden, dass er wieder arbeiten gehen würde.
Also habe ich meine Mutter, Schwiegermutter und zwei Freundinnen sowie eine Hebamme um Unterstützung gebeten und bin in meine Heimatstadt gefahren.
Und dennoch war ich zu Beginn meiner kleinen Geburt allein. Es war nicht so geplant, ist dann aber so gekommen. Meine Wehen gingen mitten in der Nacht los und meine Hebamme war zu diesem Zeitpunkt bei einer anderen Geburt. Mein Blutverlust war hoch und ich hatte mit starken Kreislaufproblemen zu kämpfen, so dass ich mich nach einer Weile nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Als in den frühen Morgenstunden dann meine Freundin kam, war ich sehr erleichtert. Da ich bis abends mit Nachwehen zu kämpfen hatte, wechselten sich meine Begleiterinnen damit ab, mich zu versorgen und mir die Hand zu halten. Meine Hebamme meldete sich, sobald sie konnte, um sich nach meinem Zustand zu erkundigen. Sie gab mir Kraft durchzuhalten und tröstete mich mit den Worten: „Diesmal gehst du durch den Prozess des Loslassens, dich Verabschiedens und beim nächsten Mal darfst du dann empfangen und willkommen heißen!“ Natürlich war mir bewusst, dass sie nicht in die Zukunft schauen konnte, aber daran zu glauben hat mir Hoffnung geschenkt. Und obwohl ich so traurig über meinen Verlust war, war ich gleichzeitig sehr gerührt und dankbar für so viel Liebe und Fürsorge von all den mich umgebenden Frauen.
Tief beeindruckt davon, was mein Körper zu leisten im Stande war und voll gepumpt mit Glückshormonen schlief ich unendlich erschöpft neben meiner Freundin ein.

Wochenbett

Aufgrund meines hohen Blutverlustes zog sich mein Wochenbett über mehrere Wochen. Ich war sehr schwach und mein Kreislauf benötigte Zeit sich zu stabilisieren. Auch hatte ich noch einen kleinen Gewebsrest im Gebärmutterhals, weshalb mein HCG Wert nicht vollends sinken konnte. Zum Glück hatte ich eine verständnisvolle und kompetente Frauenärztin, der es gelang, mich schmerzfrei von diesem zu befreien – das löste noch mal eine kleine Blutung aus und dann war es endlich vorbei.

Folgeschwangerschaft 2017

Drei Monate nach meiner Fehlgeburt war ich wieder schwanger. In den ersten Monaten meiner Folgeschwangerschaft war die Verlustangst mein ständiger Begleiter. Ab der zweiten Hälfte gelang es mir wieder mehr ins Vertrauen zu kommen und irgendwann wusste ich, dass alles gut gehen würde. Und so kam es dann auch. Ein Jahr nach meiner Fehlgeburt, durften mein Mann und ich unser ersehntes Regenbogenbaby in unseren Armen halten.

Zweite Fehlgeburt 2020

Als unsere Tochter ungefähr drei Jahre alt war, wünschten mein Mann und ich uns ein weiteres Kind. Ich wurde direkt im ersten Zyklus schwanger und war nach der letzten Erfahrung mit unserem Erdenkind kaum beunruhigt, dass es nicht funktionieren könnte. In den ersten Wochen litt ich wie bereits bei den beiden anderen Schwangerschaften unter den üblichen Symptomen. Diesmal erfuhr ich in der 10. Woche, dass sich unser Seelchen wieder verabschiedet hatte. Wiederum war es mir in den Tagen davor psychisch sehr schlecht gegangen und ich war traurig und niedergeschlagen gewesen.

Nun hatte ich also das zweite Mal die Diagnose „Missed Abortion“ bekommen, nur fühlte sich diesmal alles ganz anders an. Ich war traurig, aber es zog mir nicht mehr den Boden unter den Füßen weg. Es war kurz schwer nach Hause zu kommen und meinem Mann davon zu berichten, aber ich konnte diesmal viel schneller annehmen was passiert war. Lediglich der Gedanke an eine weitere kleine Geburt beunruhigte mich etwas. Ich hatte Respekt davor, eventuell wieder einen größeren Blutverlust zu erleiden und wieder für eine Weile auszufallen, vor allem da jetzt zusätzlich meine kleine Tochter da war, um die ich mich weiterhin kümmern wollte. Trotz dieser Sorgen hatte ich die Hoffnung, dass alles gut gehen würde.
Genau wie beim ersten Mal dauerte es 10 Tage, bis die Blutung eintrat. Diesmal hatte ich meine Freundin Lisa, die gerade ihre Ausbildung zur Hebamme beendete und auch Sternenmama ist, an meiner Seite, was mir ein Gefühl von Sicherheit gab.

Der erste Teil meiner kleinen Geburt war schön. Ich fühlte mich sicher und geborgen und mein Mann und Lisa kümmerten sich liebevoll um mich. Wir verabschiedeten uns noch mal mit einer Meditation von unserem Seelchen, wir waren berührt und friedlich zugleich.
Obwohl ich auch diesmal viel Blut verlor, war ich noch zuversichtlich, dass ich das schon schaffen würde. Nach 5 Stunden wurde ich aber immer kraftloser, bis mein Kreislauf schließlich zusammenbrach und ich nicht mehr allein vom Fußboden hochkam. Plötzlich fing mein Körper an zu krampfen. Ich bekam Panik, weil ich spürte, wie ich die Kontrolle über meinen Körper verlor. Lisa legte sich zu mir, hielt mich fest und atmete mit mir, um das Krampfen zu lösen. Mein Mann rief den Notarzt, ich kam in die Klinik und Lisa begleitete mich. Dort wurde dann mein Kreislauf mit einer Infusion stabilisiert und ich sollte eine Absaugung bekommen, um die Blutung zu beenden.
Da mir persönlich für meine Verarbeitung wichtig war, den Eingriff im wachen Zustand mitzuerleben, erkundigte ich mich über die Möglichkeit einer Teilnarkose. Der Anästhesist informierte mich freundlich und legte mir daraufhin eine Spinalanästhesie.
Der Eingriff verlief gut und war schnell vorbei. Insgesamt habe ich mich in der Klinik und dem Personal sehr gut aufgehoben gefühlt. Und natürlich war ich unendlich dankbar Lisa an meiner Seite zu wissen.
Als ich am nächsten Tag nach Hause durfte, war ich einfach nur froh, alles gut überstanden zu haben und meinen Mann und meine Tochter in die Arme schließen zu können.

Wochenbett

Auch dieses Wochenbett ging mehrere Wochen. Ich konnte die ersten Tage nicht mal selbstständig auf Toilette, weil mein Kreislauf nicht stabil genug war. Mein HB-Wert war sehr niedrig und meine Eisenspeicher so gut wie leer, weshalb ich bereits in der Klinik eine Eiseninfusion bekommen hatte. Es hat Monate gedauert, bis ich wieder in meiner vollen Kraft war. Anja, meine Hebamme kam mehrmals, um mich zu behandeln. Und natürlich auch Lisa. Wir sprachen viel über den Verlauf meiner kleinen Geburt, denn ich haderte damit – vor allem damit, dass ich meine körperlichen Grenzen nicht rechtzeitig wahrgenommen hatte und früher ins Krankenhaus gegangen bin. Ich denke, dann wäre mir so Einiges erspart geblieben.

Reflexion

Ja, früher meine Grenze erkennen und darauf hören und nicht unnötig stark sein wollen, ein altes Muster, dass ich in dieser Situation noch mal schmerzhaft erfahren, bearbeiten und heilen durfte.

Bei meiner ersten kleinen Geburt waren vor allem die selbstbestimmte Entscheidung und auch der körperliche Prozess an sich

sehr heilsam für meine Trauerverarbeitung. Ich habe meinen innerlichen Schmerz mit jeder Wehe ausleben dürfen und konnte dadurch danach in Frieden weitergehen.

Bei meiner zweiten Fehlgeburt war im Grunde genommen von Anfang an alles etwas anders – zwar ging es auch hier um Selbstbestimmung, aber auch um Ängste, Grenzen und Offenheit. Irgendwie war alles nüchterner als beim ersten Mal. Und trotzdem war das was ich daraus lernen und an Erfahrung mitnehmen durfte, absolut magisch.
Die zweite Fehlgeburt war für mich mein persönlicher Auftakt, mein Leben noch mal neu zu gestalten. Ich habe mich seither intensiv mit mir, meinen Gedanken und Gefühlen auseinandergesetzt. Es hat einen wunderschönen Prozess in mir ausgelöst, denn ich durfte im letzten Jahr innerlich so viel wachsen, mich wandeln und beflügeln lassen. Ich habe Rosa und ihr Buch „Vertrauen nach Fehlgeburt“ kennen gelernt, an ihrem Coaching-Programm teilgenommen und folge nun meinem Herzenswunsch, Frauen nach Fehlgeburt zu begleiten und liebevoll darin zu unterstützen, sich Raum für sich und ihre Gefühle zu nehmen, für sich zu sorgen, einzustehen und selbstbestimmt zu handeln. Denn das ist es, was ich gelernt und erfahren habe: Wir können nicht immer bestimmen, wie und was mit uns passiert, aber wir können einen Umgang damit finden, daran wachsen und uns immer wieder neu für unsere Selbstwirksamkeit entscheiden.

Auch habe ich mich während des Wochenbettes noch mal intensiver mit den Themen Vergebung und Dankbarkeit beschäftigt und damit begonnen nicht mehr nachtragend zu sein, sondern mich neugierig immer wieder dem Leben zu öffnen, zuzuwenden und die vielen Geschenke, die mir meine zwei Sternenkinder gebracht haben, zu erkennen und in Liebe anzunehmen.

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